Der Tod, das Leid und die Hoffnung

Artikel über die Verurteilung von sieben U-Boot-Besatzungsmitgliedern durch ein US-Militärgericht.
Von Jochen Beck. Aus "Auf einen Blick", Ausgabe 9 vom 25.02.1999

Christel Denault kümmert sich um die Gräber von sieben deutschen U-Boot-Fahrern, die vor 54 Jahren nach einem zweifelhaften Gerichtsverfahren in Amerika hingerichtet wurden.

Ein kalter Wind pfeift über die unscheinbaren Grabsteine in Fort Leavensworth im US-Bundesstaat Kansas. Die Namen und Daten der hier Bestatteten sind verwittert und kaum noch lesbar. Doch an den Anblick der blonden Frau, die auf dem Friedhof des Militärgefängnisses regelmässig Blumen niederlegt und die Grabstätten in Ordnung hält, haben sich die Spaziergänger gewöhnt. Manches mal wird Christel Denault auch von ihrer dreijährigen Enkelin Amanda begleitet, die ihr hingebungsvoll hilft. Das sieben der Grabsteine für ein unrühmliches Kapitel amerikanischer Geschichte mit Hoffnung, Leid und Tod stehen, ahnt das kleine Mädchen natürlich nicht.

Seit 1992 kümmert sich Christel Denault, eine gebürtige Gelsenkirchenerin, um die Gräber von sieben Soldaten der ehemaligen deutschen Kriegsmarine, die 1945 nach einem zweifelhaften Gerichtsverfahren wegen Mordes an einem Kameraden hingerichtet wurden. Ihr Schicksal hängt eng mit der Bombardierung des deutschen U-Bootes U-118 am 12. Juni 1943 zusammen. Von den 58 Besatzungsmitgliedern überlebten damals nur 16 Mann. Sie wurden von den Alliierten gefangengenommen und in das amerikanische Kriegsgefängnis von Fort Hunt ind der Nähe von Washington D.C. gebracht.

Unter den Gefangenen befand sich auch der 22 jährige Werner Drechsler. Ein junger Mann, der den Krieg längst satt hatte und von den Nazis gar nichts hielt - sein Vater sass bereits drei Jahre als politischer Oppositioneller im Konzentrationslager. Für die Amerikaner war es ein leichtes, mit diesem Häftling ins Gespräch zu kommen, denn Werner Drechsler träumte von einem Deutschland nach Hitler. Er gab schliesslich alles preis, was er über deutsche U-Boot-Strategie wusste.

Obwohl der amerikanische Geheimdienst ausdrücklich davor warnte, ihn anschliessend in ein Lager zu stecken, in dem deutsche Kameraden einsassen, wurde Werner Drechsler in das Kriegsgefängnis Papago Park in Arizona gebracht. Ausgerechnet dorthin, wo 4000 ehemalige Besatzungsmitglieder versenkter deutscher Schiffe inhaftiert waren. Unter der eingeschworenen Gemeinschaft, insbesondere unter den U-Boot-Fahrern, hatte es sich längst herumgesprochen, dass Werner Drechsler gegenüber den Amerikanern geplaudert hatte - das war Hochverrat in den Augen seiner Kameraden. Der 22 jährige wurde alles andere als freundschaftlich in Papago Park empfangen. Nur sechseinhalb Stunden nach seiner Ankunft fanden ihn die Wärter tot auf - brutal zusammengeschlagen, aufgeknüpft in einem Duschgebäude und als Mahnmal für andere Verräter hängen gelassen.

Mit Hilfe ines Lügendetektors ermittelten die Amerikaner zunächst den jung verheirateten Otto Stengel al möglichen Täter. Ohne viel Aufhebens wurd der Deutsche nach Byron Hot Springs geschafft, ein verschlafenes Nest in der Nähe von Stockton in Kalifornien. Hier ging man, was damals nicht bekannt war, wenig zimperlich mit Kriegsgefangenen um. Doch Otto Stengel liess sich auch durch Foltermassnahmen kein Geständniss abpressen. Erst als er die Schmerzen einer unbehandelten Blinddarmentzündung nicht mehr aushalten konnte, nannte der damals 24 jährige die Namen von sechs Kameraden, die an der "Hinrichtung" Werner Drechslers beteiligt waren.





Bildquelle: Zeitschrift "Auf einen Blick", Ausgabe 9 vom 25.2.1999



Am 15. August 1944 wurden die sieben ehemaligen deutschen U-Boot-Besatzungsmitglieder in Cap Florence (Arizona) angeklagt und in aller Eile zum Tode verurteilt. Sie hatten keine Chance auf eine faire Verhandlung. Zu ihrer Verteidigung hatte man einfach einen Artillerie-Offizier ohne juristische Ausbildung abkommandiert. Niemand interessierte sich für die Berichte der Gefangenen über Folter und erzwungene Geständnisse. "Die ganze Verhandlung war eine abgekarterte Sache", erinnert sich der damalige Übersetzer Erwin Gruenebaum heute, "Urteil und Strafmass standen von Anfang an fest."

Kurz nach Mitternacht am 25. August 1945, als der zweite Weltkrieg in Deutschland längst beendet war, wurde das Todesurteil vollstreckt, die sieben Deutschen starben durch den Strick. "Was damals geschah, ist eine Tragödie", sagt Christel Denault, die seit fast 30 Jahren in den USA lebt. Das Schicksal der Männer, von denen sie 1992 in einem Buch las und deren Gräber sie pflegt, lässt sie nicht mehr los. "Natürlich ist der Mord an Werner Drechlser nicht zu entschuldigen. Doch die sieben Marinesoldaten haben allein aus ihrem Ehrenkodex heraus gehandelt", meint sie. "Ich wünsche mir, dass sie irgendwann in ihre Heimat überführt werden."

Vielen Dank an E-Mail senden an: Lothar Scherhag, der mir diesen Artikel zuschickte.