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Der Flottenchef kommt an Bord

Ein diesiger Morgen, Kriegsschiffe und Dampfer im Hafen scheinen wie mit einem feinen Musselinschleier verhangen, kaum, daß man drüben an der gegenüberliegenden Pier die Minensuchboote unterscheidet, die, wie eine Schule Wale nebeneinander liegend, ihr Mastengewirr über kurzen, gedrungenen Leibern in den silbrigen Dunst wachsen lassen. Mit langsamer Fahrt strebt ein Unterseeboot, gefolgt von einer qualmenden Pinaß der Hafenausfahrt zu, und ein hellgrauer, ehemals norwegischer Zerstörer manövriert zwischen uns und dem Unterseeboot auf der Stelle.

Auf der vom morgendlichen Reinschiff noch nassen Schanz stehend, frage ich den neben mir beobachtenden Leutnant nach dem Boot:

„‚Löwe’ heißt es, Herr Kapitän, gutes Seeschiff, so etwa 600 T, wie es früher hieß, weiß ich auch nicht.“

Ich besehe mir das hübsche Boot genauer:

„Muß ehemalige ‚Sleipner’-Klasse sein,“ entscheide ich – und mache schnell eine Aufnahme von dem Boot, das gerade von der eben üben der Dunstschicht aufsteigenden Morgensonne hell beschienen, Fahrt aufnimmt und davonrauscht. –

Heute soll der Flottenchef, Admiral Lütjens, an Bord kommen und überall werden die Vorbereitungen getroffen: letzter Staub von den Uniformen gebürstet, die Decks noch einmal gefegt und der Filmapparat des

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Kriegsberichters schußklar am Fallreep aufgebaut. Durch die Lautsprecheranlage gellt ein Pfiff:

„Ausscheiden mit Reinschiff! Klarmachen zur Musterung Anzug blaues Zeug, Mantel, Schuhe!“

Während unten in den Wohndecks und Kammern alles zum Besuch des Flottenchefs sich klarmacht, hat die Sonne endgültig über den Frühjahrsnebel gesiegt: klarblau wölbt sich die weite Kuppel des Himmels über Hafen und See, wie frish gewaschen strahlen die Schiffe, steif wehen die Flaggen aus in der Brise, die von Osten her steht und das graue Hafenwasser leicht sich kräuseln läßt. Der Flottenchef kommt!

Das kann alles und nichts bedeuten. Will er lediglich dies, das neueste Schiff seines Verbandes sehen, die Männer, die seiner Führung anvertraut sind, oder will er die Aufgaben bekanntgeben, die unser draußen harren? Niemand weiß es, und viele fragende Blicke streifen den Kommandanten, der groß, breit und wuchtig in Mantel und Bordmütze bei dem Sonderführer am Fallreep wartet und sich den Filmapparat erklären läßt, den jener sorgsam zur Aufnahme klarmacht. Unten von der Pier staunt ein Trupp Jungmädels zum Kreuzer empor. Hier und da winken ein paar der vergnügten Dinger den Matrosen zu, die antreten und sich ausrichten. Nett sehen sie aus, die Jungmädels in ihren braunen Jacken, den weißen Söckchen, mit den braungebrannten Beinen, den langen Zöpfen und blonden oder dunklen Bubenköpfen.

Flugzeuge rauschen mit dröhnenden Motoren, die breiten Schwingen blitzend im Sonnenlicht, über den

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Schweren Kreuzer hinweg, kurven, ziehen hoch und verschwinden: kleine, leuchtende Silberstreifen im Sonnenglast der Ferne. Drüben an den großen Lagerschuppen laden unter Aufsicht eines feldgrauen Postens Gefangene lange Bohlen aus Eisenbahnwaggons, auf deren Seitenwänden das B Belgiens und das RF Frankreichs in weißer Farbe prangen.

Hinter dem Steuerbordfallreep und dem Steuerbord achteren Rohrsatz sind wir Offiziere aufgebaut, gerade unter dem Steuerbord achteren 10,5-cm-Flageschütz. Leise Bemerkungen kürzen die Wartezeit:

„Ob der ganze Stab mitkommt? Mein Crewkamerad Netzband [Kapitän zur See Harald Netzband] ist dabei, früher Kommandant eines Schlachtschiffes, jetzt Chef des Stabes. Wäre nett, den wiederzusehen.“

Der neben mir stehende Offizier schüttelt den Kopf:

„Glaub ich nicht, soviel ich gehört habe, kommt nur ein Adjutant mit, vielleicht der Flaggleutnant. Kennen Sie den Flottenchef?“

„Natürlich, von Wilhelmshaven her. Da war er zu meiner Zeit Personaloffizier der Station.“

Ich denke an die Gefechte, die der Admiral schon geführt, die Unternehmungen, die er mit seinen Schlachtschiffen bis weit in den Atlantik hinaus gegen feindliche Geleitzüge leitete. Unter diesem schlanken, ruhigen Mann, der im Weltkrieg als A-Bootskommandant und Flottillenchef in Flandern Dienst tat, fährt jeder gerne hinaus. Sie wissen alle, daß er neben der Kenntnis, dem Schneid und der Verantwortungsfreudigkeit auch die Erfahrung, die Kriegserfahrung des Seeoffiziers und

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Führers besitzt, der mehr als einmal das Aufblitzen gegnerischer Rohre sah und den lang nachhallenden Donner schwerer Schiffsgeschütze englischer Kriegsschiffe vernahm. Seine Flagge, die auf „Bismarck“, dem stärksten Schiff der Großdeutschen Flotte weht, ist mehr als ein Symbol des Führertums zur See, sie ist ein Programm. So herrscht auch an Bord keineswegs die sonst vielleicht übliche leise Beklemmung, die den Besuchen hoher Admirale fast stets vorauszugehen pflegt, sondern jene ruhige Erwartung, jene Freude, die der Soldat stets dem bewährten Vorgesetzten willig entgegenbringt, der den Mut zum Angreifen und Kämpfen im Gefecht schon beweisen konnte. Das aber hat der Flottenchef bei mehreren Unternehmungen erfolgreich getan.

Endlich ist es so weit.

Der vor dem Schiff auf der Pier aufgestellte Unteroffizier gibt ein Zeichen, der Sonderführer richtet noch einmal seinen Aufnahmeapparat ein, der Kommandant wirft einen Blick auf den Zettel, den der Erste Offizier [Fregattenkapitän Otto Stooß] mit den Zahlen für die Stärkemeldung der Besatzung anfertigte, der Oberbootsmann holt tief atmend die zum langen Seitepfiff für den Flottenchef notwendige Luft aus dem breiten Brustkasten, und die Offiziere heben auf einen kurzen Befehl des Kommandanten die Hand zum Gruß an die Bordmützen.

Gefolgt von Adjutanten, einem Oberleutnant zur See, dessen Fangschnüre golden von der rechten Schulter blitzen, eilt der Admiral die Stelling mit elastischen Schritten herauf, nimmt die Meldung des Kommandanten entgegen und schreitet die Front ab, jeden

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einzelnen Offizier, den der Kommandant vorstellt, mit Handschlag begrüßend.

Straff sitz die Uniform des Admirals, rot leuchtet das breite Band des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes aus dem Umlegekragen, silbern blinken die Spangen der beiden Eisernen Kreuze von 1939 und forschend blicken die Augen jeden an, den der Kapitän zur See vorstellt. Für jeden hat der Flottenchef ein Wort der Begrüßung, eine Frage. Wir stehen eisern, die Hand an der Mütze und sehen dem Admiral nach, der nun zu den auf der Schanz aufgestellten Divisionen schreitet. Gut und frisch sieht er aus, der Flottenchef, und wir finden es besonders bezeichnend, daß er zu diesem Besuch alleine, nur von seinem Adjutanten begleitet, erschienen ist und nicht das ganze „Geflügel“ mitbrachte. Es scheint uns irgendwie persönlicher, kameradschaftlicher und ungezwungener, so, als wolle er nur vor dem Auslaufen jedem der Männer, von denen er vielleicht in nächster Zeit Schweres verlangen muß, einmal ins Auge sehn, ihnen zeigen: hier, da ist euer Admiral, und ich bin dabei, wenn’s los geht, ich stehe genau wie ihr irgendwo auf der Brücke, im Kommandostand, mir fliegen die Brocken genau so um die Ohren wie euch, und wenn es hart auf hart geht, dann müssen wir eben zusammenhalten, ich, der Flottenchef, und ihr, die Besatzungen meiner Kampfgruppe –

Keiner von uns ahnt, daß wir den Flottenchef an diesem sonnigen Morgen zum letzten Male sehen.

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